Inhalte: |
|
|
Apropos Zwangsbehandlung in der Psychiatrie
(Oder Vogel friss oder stirb....)
Von Peter Zihlmann, Dr.
jur., Rechtsanwalt und privater Ombudsmann.
Erschien darauf mit bunten Farben
Die junge Königin im Glas
Hier war die Arzenei, die Patienten starben.
Und niemand fragte: Wer genas?
So haben wir mit höllischen Latwergen
In diesen Tälern, in diesen Bergen
Weit schlimmer als die Pest getobt
(Faust)
Dass sich ein Chirurg mit erhobenem Skalpell auf den flüchtenden Patienten
stürzt, ist Phantasie. Dass ein psychisch Kranker sich einer Behandlung mit
Neuroleptika widersetzt und mit körperlicher Gewalt dazu gezwungen wird, dies
wird noch heute in der Psychiatrischen Universitätsklinik (PUK) in Basel
praktiziert. Und dies obwohl die Wunderpillen («die junge Königin im Glas»)
nicht nur abweichende, sondert auch intakte Hirnfunktionen beeinträchtigen,
deshalb schädliche Nebenwirkungen haben und der «Heileffekt» dieser
Psychopharmaka umstritten ist.
Jedes Jahr werden in Basel 300 Personen zwangshospitalisiert
Zu den zwangsweise mit Medikamenten Versorgten gehören auch harmlose Personen.
Die so zwangsweise Behandelten haben sich nichts zu Schulden kommen lassen, sind
nicht straffällig geworden und sind meist ungefährlich. Ihr einziger Fehler: Sie
sind seelisch krank, leiden unter Wahnvorstellungen, hören Stimmen, leiden unter
ihren Ängsten, ihr Wirklichkeitsbezug ist in gewisser Beziehung nicht «normal»,
gestört, ver-rückt.
Jedes Jahr werden allein in Basel in der
PUK 300 Personen zwangshospitalisiert und zum Teil auch gegen ihren Willen
gewaltsam mit Medikamenten versorgt; Von Ärzten und auch von Juristen werden
sie als «behandlungsbedürftig» etikettiert. Man achte auf die neue Sprache: Mit
dem Wort «Behandlung» wird nicht mehr der ganzheitliche
therapeutische Umgang (der sich übrigens nicht mit Zwang vereinbaren lässt) mit
dem Mitmenschen gemeint, sondern lediglich die medikamentöse Therapie! Wer
psychisch leidet und von seiner Umgebung nicht mehr akzeptiert wird,
verschwindet auch heute noch, wenn nötig mit Hilfe der Polizei, amtsärztlich in
Kliniken. Überforderte Angehörige, Lebenspartner, Arbeitgeber oder Vermieter
übergeben so gemeinsame Lebensprobleme mit den Kranken der Klinik und der
Pharmaindustrie. Von Zwangsbehandlungen betroffen sind oft junge, sensible
Personen, die in Lebenskrisen stecken. Sie können die von den Eltern und der
Gesellschaft an sie gestellten Anforderungen nicht erfüllen. Mit Verdacht auf
eine paranoide Schizophrenie werden sie der medikamentösen Behandlung in
Kliniken zugeführt. Ihre soziale Problemsituation wird dadurch oft noch
verschlimmert. So wie auf der einen Seite der Verzicht auf illegale Drogen mit
Strafe durchgesetzt wird, zwingt der
gleiche Staat psychisch Kranke zur Einnahme anderer Drogen, die keineswegs
ungefährlich sind und ebenfalls in eine schwere Abhängigkeit führen können.
Biologistische Psychiatrie verwechselt Ursache mit Wirkung
Intoleranz und Angst vor auffälligem Verhalten rufen in unserer Gesellschaft
nach einer «technisch-medizinischen Lösung» des Problems; und die gibt es
scheinbar: Eine Pille gegen Angst, eine gegen Depressionen, eine gegen
Wahnvorstellungen. Angst, Depression und Wahnvorstellungen sind aber seelische
Phänomene und keine unmittelbar vom Gehirn, in dem die Mittel ansetzen,
verursachten Abläufe. In der hochkomplexen, noch weithin unverstandenen
Hirnphysiologie unterbrechen diese Mittel - auf grobe Weise
-
lediglich Prozesse, reparieren sie etwa nicht, geschweige stimulieren sie neue
Prozesse. Psychiater, die gegenüber den Psychopharmaka kritisch eingestellt
sind, erklären die Wirkungen dieser Medikamente folgendermaßen: Die
physiologischen Abläufe im Gehirn werden
dermassen gestört, dass in der Psyche, also auf einer viel höheren
Organisationsstufe des Gehirns, Auswirkungen ausgelöst werden, die zum einen
Teil erwünscht (= die Wirkung) und zum anderen Teil unerwünscht (= die
psychischen Nebenwirkungen) sind. Wer aber aufgrund dieser Wirkung folgert, dass
die psychiatrischen Probleme an sich
Hirnstoffwechselstörungen wären, verwechselt Ursache mit Wirkung. So aber
argumentiert die momentan stark vertretene biologistische Psychiatrie und zieht
Medikamentation der Gesprächstherapie vor.
Die biologistischen Psychiater reduzieren komplexe seelische Vorgänge, wie sie
auch im psychotischen Erleben auftreten, auf
mikrophysiologische Störungen im Gehirn. Das ist, wie wenn in der
Fingermuskelphysiologie des Täters nach der Ursache eines Mordes durch
Pistolenschuss gesucht würde.
Das Neuroleptikum ist kein spezifisches Heilmittel gegen Schizophrenie. Es
dämpft nur - in einer grossen Bandbreite - zahlreiche Hirnfunktionen. Es dämpft
also nicht nur Sinnestäuschungen und Wahnideen, sondern auch das Bewusstsein,
die Konzentration, die Reaktionsfähigkeit, die Wahrnehmung und die Motorik. Das
erste Neuroleptikum Largactil wird immer noch für einen sonst nicht
behandelbaren Schluckauf eingesetzt. Neuroleptika werden als Schlaf- und
Beruhigungsmittel in Altersheimen und sogar - wenn alle Riemen reissen -
für überaktive Kinder, die ihre Mütter zur Verzweiflung bringen,
eingesetzt.
Kein Selbstbestimmungsrecht für gewisse Patienten
Im
Normalfall wird die Meinung des Patienten über die Verträglichkeit von
Medikamenten von den Ärzten ernst genommen. Bei Schizophrenen hingegen passiert
es nicht selten, dass Nebenwirkungen von Medikamenten als zur Krankheit gehörend
eingestuft werden, worauf Dosierungen erhöht und auch diese Nebenwirkungen
gedämpft werden. Leider zeigen sich die Nebenwirkungen beim Absetzen der
Medikation wieder als Zuckungen und Spasmen, die manchmal bleibend sind.
Trotzdem gelten Patienten, die diese Mittel verweigern, als «krankheitsuneinsichtig».
Kann ein Arzt nicht verstehen, dass es Patienten gibt, die lieber die
«Krankheit» als die chemische Zwangsjacke erdulden? Schliesslich wird auch kein
Zwang gegenüber Personen ausgeübt, die ihre Gesundheit durch Nikotin- oder
Alkoholmissbrauch schädigen.
Die Psychiatrie
schafft den medikamentös verwalteten und finanziell zulasten der Gesellschaft
zwangshospitalisierten und zwangsmedikamentös behandelten Menschen.
Zwangsbehandlungen sind demütigend und untergraben die Eigenständigkeit der
kranken Person. Wehrt sich ausnahmsweise ein Patient, so wird dies zunächst als
unbeachtlich und belanglos zur Seite geschoben, bis dann die Klinikleitung die
Sache als «Privatkrieg» eines «Urteilsunfähigen» gegen die Klinik einzustufen
gezwungen ist. Der psychisch leidende Patient wird nicht ernst genommen, sein
klar und nachhaltig formulierter Wille, nicht zwangsweise behandelt zu werden,
missachtet. Wie Straffällige werden psychisch Kranke, die sich der gewaltigen
Hilfe widersetzen, gejagt und mit der Polizei verfolgt, falls sie sich der
Zwangsbehandlung entziehen.
Die Frage bleibt: Kann ein Mensch, der sich nichts hat zu Schulden kommen lassen
und der sich durchaus eine Meinung darüber bilden kann, wie er sich behandeln
lassen will und wie nicht, zur Behandlung gezwungen werden? Darf das
Selbstbestimmungsrecht des Patienten nur in Verlautbarungen, nicht aber im
praktischen Einzelfall hochgehalten werden? Das Urteil der Klinikärzte und ihrer
Juristen ist einfach: Wer die vorgeschriebenen Medikamente ablehnt, dem fehlt
die Krankheitseinsicht, der ist nicht urteilsfähig, gegen den wird Gewalt
angewendet. Mit gutem Grund: Der Verkaufsumsatz aller Neuroleptika allein in der
Schweiz beträgt jährlich 300 Millionen Franken.
Peter Zihlmann,
Dr. jur., Rechtsanwalt und privater Ombudsmann.
Publikationen: «Der Fall Plumey», Genf, 1995; «L’affaire Plumey«, Genéve, 1995;
«Die Tochter des Magistraten», Basel; 1998; «Justiz im Irrtum», Zürich, 2000.
Informationen zu Neuroleptika auf Dr. Breggin's Seite:
http://www.breggin.com/germanneuro.html
Gesamtverzeichnis der
Streetwork-Arbeiten /
Spenden und Beiträge
Aufgrund der grossen Nachfrage sind wir jetzt
auf 3 verschiedenen Servern gleichzeitig erreichbar:
Unsere Projekte:
www.streetwork.ch
/
www.streetwork-verlag.ch
/
www.baerenfelserstrasse.ch /
www.selfhealingfield.ch
Arbeiten,
Besucherzahlen und Finanzen
/
Beatus Gubler Steckbrief
/ Beatus
Gubler im Internet /
Spenden und Beiträge

|