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Psychopharmaka sind in Wirklichkeit Neuropharmaka Gefahren der modernen Psychiatrie Dr. med. Piet Westdijk, Psychiater, Sattelgasse 4, 4051 Basel Wir danken Herrn Dr. Piet Westdijk für dieses Referat, welches die www.streetwork.ch als erste veröffentlichen durften.
Gibt es Medikamente für die Seele? Eine schwierige Frage, weil sich sofort die Frage stellt: Was ist Seele oder auf Griechisch: Psyche? Mit dieser Frage kommen wir sofort in den Bereich der Philosophie und Theologie. Bleiben wir vorerst aber praktisch. Es geht um Medikamente, die auf Verordnung meiner Kollegen verabreicht werden. Der Name dieser Medikamentegruppe lautet offiziell "Psychopharmaka", also Pharmaka für die Psyche, für die Seele, oder gegen die Seele? Übrigens.... – ich kann es nicht sein lassen, einen Moment Dozent zu spielen – ein einziges solches Medikament nennt man ein Psychopharmakon und nicht ein Psychopharmaka. Ich sage dies, weil ich immer öfter, auch von Kollegen und sogar in Fachzeitschriften, höre und lese, dass man über einem Antidepressiva oder einem Neuroleptika etc. spricht (gilt auch für andere Medikamentengruppenbezeichnungen wie Antibiotika, Zytostatika, etc.). Wenn ein Plural auf –ika oder –iva endet, dann endet der Singular (die Einzahl) auf –ikum und -ivum (latein). Weil der Plural (die Mehrzahl) Pharmaca griechischer Herkunft ist, ist hier aber der Singalar Pharmacon. Ich möchte also über die Psychopharmaka sprechen, d.h. über die Antidepressiva, die Neuroleptika oder Antipsychotika und die Anxiolytika oder Tranquilizer. Mittel, die wie das jeweilige Wort besagt gegen Depression, gegen Psychose und gegen Angst wirksam sind. Jetzt sind die Begriffe Depression – d.h. Traurigkeit, Niedergedrücktheit, fehlende Initiative und das Gefühl von Sinnlosigkeit -, weiter Psychose – d.h. fehlenden Realitätsbezug, z.B. das Hören von Stimmen und Wahnideen – und drittens Angst Begriffe aus dem psychischen Bereich und nicht etwa aus dem neurologischen Bereich, wo sie eigentlich ansetzen, wie später zu zeigen ist. Problembeschreibung – Umfeld Die heutige Pharmaindustrie, bei uns in Basel sehr nah, auch in existentiellem Sinne – wir haben die Drohungen anlässlich der Geninitiative nicht überhört: "Wenn Sie zustimmen, gefährden Sie Arbeitsplätze!" – nimmt den Trugschluss, neurologisch aktive Substanzen hätten eine direkte Wirkung auf die Psyche, sehr geschickt auf und ist die letzten 10 Jahre sehr aktiv, wenn es um die Propaganda für ihre Mittel geht. Sie spricht psychische Probleme an, wie Traurigkeit, Angst, Stress und sogar Sinnlosigkeit, die mit ihren Mitteln angegangen werden können. Die Medien helfen tatkräftig mit: es wird über Glückspillen geschrieben; einerseits werden Drogen wie Heroin und Kokain verteufelt und andererseits die neuen übrigens sehr teueren Antidepressiva wegen ihren kokainähnlichen Wirkungen (Antrieb, Glück, Farbe im Leben, kein Zwang mehr) angepriesen. Das Resultat ist, dass im Jahre 1998 in der Schweiz für mehr als 300 Millionen Franken an Psychopharmaka verkauft wurde. Parallel dazu werden haufenweise Artikel über die zu heilenden Krankheiten geschrieben, wie Depression, Zwangskrankheit, Anorexie, Bulimie und neuerdings auch wieder Schizophrenie, v.a. über ein bis dann vernachlässigtes Zustandsbild, nämlich die Negativsymptomatik der Schizophrenie. Es fällt dabei auf, dass früher vor allem zuerst die Hausärzte mit der Propaganda belästigt wurden, Hausärzte, welche die Patienten behandeln sollten und dafür behalten könnten und nicht die teueren Psychiater, die ja nur mit den Patienten reden und lästige Fragen stellen. Seit einigen Jahren sind aber auch die Psychiater überzeugt worden und eben "biologisch" geworden. Es gibt bereits eine Gesellschaft für die biologische Psychiatrie, nicht zuletzt dank dem Basler Professor Kielholz, der mit seiner Ludiomil/Anafranil-Kombination Furore machte. Hinter der biologischen Psychiatrie steckt m.E. der philosophisch materialistische Gedanke, dass es die Psyche gar nicht gebe oder dass psychische Funktionen anatomisch (oder im Microbereich: histologisch) und physiologisch unserem Gehirn zuzuordnen seien. Es sei nur eine Frage von Zeit, bis die Wissenschaft (d.h. die Naturwissenschaft, nicht etwa die Geisteswissenschaft) so weit fortgeschritten ist, dass auch differenziertere psychische Funktionen wie Selbstsicherheit, Disziplin, oder auch Liebesfähigkeit und sogar Intelligenz biologisch, d.h. ohne Gespräch beeinflusst werden können. Biologisch heisst hier medikamentös, microchirurgisch, gentechnologisch, Elekroshocktherapie u.s.w. Das "Woggon-Phänomen" Neben der finanzkräftigen Pharmaindustrie gibt es starke wortlaute Befürworter dieser Art Psychiatrie, wie Fr. Prof. Brigitte Woggon aus Zürich, die sich laut einem Artikel im Tagi- Magazin offenbar nicht einmal scheut, depressive Leuten mit Amphetaminen zu behandeln. Dass es fragwürdige Verbindungen zwischen den fleissig Mittel verschreibenden Ärzte gibt und den einflussreichen Pharmaindustrien zeigt der im selben Artikel erwähnte Sachverhalt, dass Fr. Woggon im Advisory Board des Prozac- und Zyprexa-Unternehmens sitzt und sich ihre Reisen an internationale Kongresse und Symposien bezahlen lässt. Selber bekam ich mal eine Einladung mit auszuwählendem Partner an ein Symposium in Sevilla, Spanien. Fr. Woggon scheint ein derartiges Charisma auszustrahlen, dass mir als seriös bekannte Kollegen ihr gegenüber eine Art Hörigkeit an den Tag legen. Wenn sie nämlich in der Behandlung eines psychiatrischen Patienten nicht mehr weiter kommen (,was ja häufig passieren kann), rufen sie Fr. Woggon an und bitten um und erhalten auch Behandlungsvorschläge. Erinnern Sie sich, diese Behandlung betrifft die Frage, was für Medikamente in welcher Dosierung man geben könnte oder sollte, wobei zu sagen ist, dass Fr. Woggon für ihre hohen Dosierungen berüchtigt geworden ist. Das englische Wort für Medikamente "drugs", das bei uns nur für illegale Drogen gebraucht wird, scheint mir in diesem Fall ehrlicher zu sein. Fr. Woggon appelliert inzwischen stark auf die angebliche Wirkung. Man darf die Patienten nicht enttäuschen, man muss helfen, etwas machen und nicht tatenlos zuschauen. Grosser Einfluss von Seiten der Angehörigen- und Selbsthilfeorganisationen Fr. Woggon findet in ihrem pharmakologischen Engagement für die psychisch Kranken grossen Anklang bei deren Angehörigen. Ich erinnere mich an ähnliche Äusserungen von Kollegen in der Diskussion um die Initiative "Jugend ohne Drogen". Prof. Battegay schrieb damals in der BAZ, dass das Heroin für die Drogensüchtigen mit Insulin für die Diabetiker zu vergleichen sei. Die Drogensüchtigen hätten einen spezifischen Mangel im Hirnstoffwechsel, die eine solche Behandlung erforderlich machen würde. Auch er fand darauf bei den Angehörigen der Drogensüchtigen grossen Anklang. Dasselbe gilt für die Befürworter der Antidepressiva und der sogenannten Antipsychotika, die bei den Selbsthilfe- und Angehörigenorganisationen der Depressiven resp. der Schizophrenen auf grosses Echo stossen. Warum? Es versteht sich ja sehr gut, dass Angehörige sich danach sehnen, dass endlich eine wissenschaftliche Lösung für die Probleme ihrer Verwandte gefunden wird, v.a. wenn sie in der Realisierung solcher Lösungen nicht einbezogen werden müssen (, wie etwa bei Familientherapie). Solche Wünsche sind so gesehen legitim. Nicht legitim ist aber, wenn falsche Hoffnungen geweckt werden. Dass Depression, Schizophrenie und Sucht Störungen im Hirnstoffwechsel seien, ist nämlich eine sehr optimistische und auch reduktionistische (einseitige) Hypothese der biologischen Psychiater und lässt sich bis heute keineswegs beweisen. Es ist schlicht Irreführung der Massen, wenn solche Sachen behauptet werden. Es ist ebenfalls ein falsches Argument, wenn es darum geht, die Patienten zur Einnahme von Medikamenten zu verführen. Bezeichnenderweise verweigern nämlich viele Patienten von sich aus diese Tabletten. Psychiatrie als Subdisziplin der Neurologie? Bevor wir zur Frage übergehen, was die Medikamente wirklich bewirken, möchte ich eine letzte kritische Bemerkung an die Adresse meiner "biologischen" Kollegen machen. Wenn diese Kollegen in ihrer Annahme, es handle sich bei den psychiatrischen Krankheiten um Stoffwechselstörungen im Gehirn, recht hätten, müssten sie meiner Meinung nach Neurologe werden und sich in dieser Berufsidentität der Hirnforschung widmen. Der Kontext der biologischen Psychiatrie ist eigentlich sehr fragwürdig. Diese wird nämlich mehr von der Pharmakologie her bedingt als von der Neurologie. Wenn man dieses Phänomen mit einer anderen medizinischen Disciplin vergleichen würde, z.B. mit der Kardiologie, würden Kardiologen mit Hilfe der Pharmakologie der Herzmittel die Herzstörungen erforschen und die Herzphysiologen auf die Seite lassen. Wenn man diesbezüglich die Neurologen befragt, erklingen gegenüber der biologischen Psychiatrie eher kritische Töne. Daten: Was machen diese Medikamente wirklich? Psychopharmaka wirken auf der Ebene des Körpers, v.a. im Gehirn, im zentralen Nervensystem, die Schaltstelle der Sensorik (Sinnesorgane), zentraler Funktionen und Motorik. Ein natürlich reduktionistisches aber jetzt zum Verständnis hilfreiches Bild des Hirnes ist der Computer, der Informationsverarbeiter mit seinem Input gleich Sensorik, black box gleich zentraler Funktionen und Output gleich Motorik. Die sogenannten Psychopharmaka wirken auf die zentralen Hirnfunktionen, wie erstens das Vegetativum, das für die Regulierung der inneren Organe und Systeme besorgt ist, d.h. für Kreislauf, Atmung, Verdauung, Entsorgung, Sexualität, Stoffwechsel, Hormonsysteme, etc. und zweitens die Koordination von Sensorik und Motorik. Weiter gibt es Wirkungen auf das Bewusstsein, das Gedächtnis und auf die mehr oder ausschliesslich menschlichen Funktionen wie Verstehen, Denken und Sprache (alles sehr vereinfacht wiedergegeben). Nach den heutigen Erkenntnissen greifen die Medikamente dort ein, wo Neuronen, das sind Nervenzellen, sich verbinden, und zwar mittels sogenannter Neurotransmittoren. Es gibt – ist anzunehmen - zahllose solche Substanzen. Nur einige sind uns bekannt, wie Acetylcholin, Noradrenalin, Dopamin, Serotonin und Gammaaminobuttersäure. Diese Neurotransmittoren werden vom einen Neuron ausgesandt, über die Synaps-Spalte zwischen den Neuronen geschickt, und passen auf bestimmte Rezeptoren des anderen Neurons - wie ein Schlüssel in nur ein bestimmtes Schlüsselloch. Die Medikamente stören einfach aber treffend gesagt den Metabolismus dieser Neurotransmittoren, so dass die Reizübertragung der Nervenzellen gestört wird. Zum Teil kann dies für den Menschen positive Folgen haben, teilweise aber auch vorallem bei langfristiger Verwendung eher negative Folgen. Eine positive Wirkung ist die Sedierung oder Ruhig-Stellung oder schöner "Beruhigung" der betroffenen Menschen, was zwar auch als Nebenwirkung verzeichnet wird. Lösung der Problematik der als lästig empfundenen Sedierung ist die Einnahme vor dem Schlafen: Erst schläft man besser ein und durch und weiter merkt man die sonstige Beeinträchtigung nicht. Die Sedierung hat v.a. dann positive Folgen, wenn es um die sogenannte produktive psychotische Symptomatik wie Stimmen-hören und Wahnideen geht. Fürs Wahrnehmen und Denken überhaupt braucht der Mensch ein voll funktionstüchtiges Gehirn. Wenn das Gehirn sediert wird, werden automatisch auch Störungen im Wahrnehmen und Denken sediert. Es ist vergleichbar mit der folgenden Behandlung von Unfallrisikos im Gebrauch des Autos: Wenn man dafür sorgt, dass das Auto nur 100 Stundenkilometer fahren kann, gibt es weniger Unfälle; wenn man dafür sorgt, dass das Auto gar nicht mehr fährt, gibt es gar keine Unfälle mehr.. Wenn man bei den paranoid-halluzinatorischen Patienten nachfragt (wer macht das aber schon?), was nach Tabletteneinnahme eigentlich subjektiv abläuft, sagen die Meisten, dass z.B. die Stimmen nicht verschwinden, sondern eher in den Hintergrund treten würden, wodurch die Aufmerksamkeit auf anderes gerichtet werden könne. Eine weitere positive Wirkung ist die Stimmungsaufhellung bei den sogenannten Antidepressiva, die nach frühestens 7-10 Tagen zu erwarten ist, aber nicht immer auftritt. Wie diese euphorisierende Wirkung zu erklären ist, weiss man nicht. Die antriebsteigernde Wirkung kann eher erklärt werden. Es würde wie Amphetamin oder Speed, das sehr ähnlich mit dem bekannten Adrenalin ist, wirken und einfach antreiben. Wenn eine Person mehr "power" spürt, kann er darauf vielleicht stimmungsmässig positiv reagieren. Es wäre mit der Situation zu vergleichen, in der jemand zu viel zu tun hat, alleine damit nicht fertig wird, darunter leidet, und entlastet wird, wenn eine zweite Person mit derselben Arbeit beauftragt wird. Wenn er aber nicht so reagiert, weil die Stimmungsproblematik nicht im Zusammenhang mit Stress, etc. steht, kann die künstliche Antriebssteigerung gefährlich ausarten, nämlich in mehr Energie bei schlechter suizidaler Stimmung und so in einen gelungenen Suizid. Die Antriebsteigerung der neuen Antidepressiva, die in aller Mund sind, wie Fluctin z.B., in Amerika Prozac und Glückspille genannt, ist so zu erklären. Vor noch nicht langer Zeit wurden die minor Tranquillizer oder Anxiolytica heroisch als der Fortschritt der Medizin betrachtet. Endlich ein Mittel gegen Stress, die Krankheit jenes Zeitabschnittes (die Jahre 60 und 70). Auch wären die Mittel bei Angststörungen sehr gut einsetzbar, Ängste verschwanden wie Schnee in der Sonne. Die wirkliche Wirkung dieser Benzodiazepine ist aber einfach muskelrelaxierend und kaum etwas anderes. Wie unter einer wohltuenden Massage werden die Muskeln unter z.B. Valium weich wie Butter, was zu einer herrlichen Entspannung führt. Nicht die Psyche oder die Angst wird hier also primär angegangen, sondern es handelt sich einfach um ein Muskelrelaxans, das relaxierende Folgen für die Psyche hat. Die Nebenwirkungen der Medikamente sind an sich weitere Auswirkungen der Funktionsstörungen der betroffenen Neurotransmittoren. Wichtiges Beispiel sind die Wirkungen im vegetativen Bereich, die durch die Störungen der Acetylcholin- und Noradrenalinsysteme bedingt sind. Ich nenne die Mundtrockenheit bei fast allen Psychopharmaka, den Speichelfluss bei Leponex, die orthostatische Hypotonie, die Herzrhythmusstörungen bei den trizyklischen Antidepressiva, die Obstipation, die Harnretention und die Visusprobleme als Folge einer Akkomodationsstörung. Eine weitere Nebenwirkung ist die Appetitsteigerung und darauffolgende Gewichtszunahme bei v.a. den Neuroleptika. Auch diese Nebenwirkung wird genützt und z.B. bei Anorexie eingesetzt. Obwohl man weiss, dass zur Entstehung der Anorexie hoch komplexe psychosoziale Faktoren eine grosse Rolle spielen, bevorzugt man manchmal die "biologische" Abkürzung und übergeht tiefschürfende psychische und zwischenmenschliche Probleme. Auch der sehr häufig erlittene Libidoverlust, also ein Mangel an Lust, Sex zu haben, wird manchmal brutalerweise dort eingesetzt, wo es erwünscht ist, bei sexuell überaktiven Jugendlichen bis zu aktiven Greisen im Altersheim. An sich werden alle –ich sage mal menschliche – Funktionen wie Originalität, Kreativität, Produktivität und Gerechtigkeitssinn, ästhetische, ethische und religiöse Funktionen beeinträchtigt. Nur fallen diese Beeinträchtigungen in unserer verkommenen Gesellschaft nicht mehr so auf. Gleichzeitig werden diese Substanzen aber an Millionen und Abermillionen (weltweit gesehen) verabreicht, wodurch es einem nicht mehr wundernimmt, wieso gewisse Beeinträchtigungen nicht mehr auffallen... Beispiele für schwerere z.T. bleibende negative Folgen dieser Medikamente sind die meisten Neuroleptika für psychotische Zustandsbilder und das L-Dopa für die Parkinsonsche Krankheit. Bei deren Wirkung reagiert der Körper nämlich u.a. mit einem Wachstum der Anzahl Rezeptoren und neutralisiert dabei teilweise die Wirkung des durch das Mittel erhöht konzentriert gewordenen Neurotransmittors. Übrigens unternimmt unser Körper häufig solche neutralisierende Aktionen: Ich denke an die erhöhte Leberaktivität bei Alkoholmissbrauch und auch bei Missbrauch von Benzodiazepinen, ein Mechanismus, der übrigens ja zur Abhängigkeit beiträgt. Dieses reaktive Wachstum der Rezeptorenzahl löst im Fall der dopaminergen Medikamente Spontan-Aktionen im Muskelapparat aus wie die perioralen Spätdyskinäsien (einfach ein schwieriges Wort für unwillkürliche Bewegungen im Mundbereich, wie schmatzen, etc.). Weil Dopamin ein Neurotransmittor ist, der auch im motorischen Bereich funktioniert, sind die Spätfolgen hier sichtbar. Es ist aber durchaus vorstellbar, dass ähnliche Reaktionsbildungen in anderen Bereichen stattfinden, die sich der direkten Beobachtung entziehen, weil sie komplexere Hirnfunktionen beeinträchtigen. Diese Spätfolgen würden also vorläufig unsichtbar bleiben. Diese unsichtbaren Spätfolgen zeigen sich erst, wenn bei plötzlichem Entzug eines Antidepressivums oder eines Neurolepticums geradezu depressive resp. psychotische Symptome ausgelöst werden. Sie können sich die Tragik vorstellen, wenn diese Symptome fälschlich als Rückfall der Krankheit interpretiert werden, wodurch irrtümlicherweise die Verursacher der Problematik erneut verschrieben werden oder gar die Dosierung erhöht wird. Schliesslich dürfen die negativen Folgen des Tranquilizer-Booms nicht unerwähnt bleiben. Sie sind Ihnen aber besser als die bereits erwähnten negativen Folgen bekannt: Verkehrsunfälle, massivste Abhängigkeiten und Verwirrtheitszustände. Obwohl jetzt alle Ärzte wissen dürften, dass man an sich keine Dauerverschreibungen von Tranquilizern machen sollte, gibt es kein Spital, in dem nicht mit diesen Regeln gebrochen wird. In Altersheimen, wo ich tätig bin, dasselbe "im Grün". Der Schlafmittelabusus in der Schweiz ist horrent. Warum, wenn die wissenschaftlichen Daten seit Jahren beweisen, das nach drei Wochen die einzig positive Wirkung der Schlafmittel die Verhütung eines Entzugssyndroms ist? Zusammenfassung: Zusammenfassend möchte ich feststellen, dass die sogenannten Psychopharmaka keine Mittel sind, die primär die Seele oder die Psyche beeinflussen, sondern lediglich das zentrale Nervensystem. Ich möchte deshalb vorschlagen, den Namen Psychopharmaka zu streichen und an ihre Stelle von Neuropharmaka zu sprechen. Selbstverständlich kann ich Ihnen dies aber nicht vorschlagen. Ich müsste dies im Rahmen einer wissenschaftlichen Publikation tun. Am Schluss dieses Referats möchte ich gerne kurz auf die eingangs gemachte Bemerkung eingehen, dass die Frage im Titel des Referats eigentlich die Bereiche der Philosophie (Erkenntnistheorien) und sogar der Theologie (Menschenbild) betrifft. Es ist die Frage über Leib und Seele, die im Verlauf der Menschengeschichte bereits zahllose Male gestellt wurde. Entsprechend zahllose Theorien wurden erstellt. Eingehen auf diese Geschichte kann ich jetzt nicht. Es würde den Rahmen des Referats und leider auch meiner Kompetenz völlig sprengen. Ich kann es aber doch nicht sein lassen, Ihnen kurz meine diesbezügliche Ansicht mitzuteilen. Diese Ansicht soll nur zum weiteren Denken und zu Diskussionen anregen, mehr nicht. Das ZNS wird häufig als Substrat für die Psyche bezeichnet. Ich gehe damit einig, solange damit nicht behauptet wird, dass das ZNS direkt lineär-kausale Verbindungen zur Psyche hat. Um das Bild des Komputers wieder aufzunehmen: man darf hard- und software nicht auf eine Ebene stellen. Man kann z.B. ein Problem im Windowsprogramm nicht auf der Hardware-Ebene lösen, indem man z.B. einen Microchip auswechselt oder so. Biologische Psychiater scheinen diesem Irrtum unterlegen zu sein. Ich sehe unsere Psyche in informationswissenschaftlichem Sinne als eine Art höhere Organisationsstufe unseres Organismus an, in der nur Veränderungen ausgelöst werden können, wenn man auf derselben Stufe einsteigt. Praktisch gesehen sind deshalb psychische Störungen nur auf der Ebene der Psyche, d.h. im Gespräch, in der Beziehung, zu lösen und nicht auf einer tieferen Stufe. Selbstverständlich passiert etwas in der Psyche, wenn man am Hirn "fummelt", so wie etwas passiert im Windowsprogramm, wenn man einen Chip auswechselt. Selten passiert aber das, was man beabsichtigt hat. Ein anderes Bild: Als unser alter Fernseher nicht funktionierte, half manchmal ein Klapf, eine Erschütterung, ohne dass ich verstand, warum. So sehe ich den seltenen meistens aber nur kurzlebigen Erfolg einer Shocktherapie oder auch einer medikamentösen Therapie. In der konstruktivistischen Therapiesprache spricht man hier von Stören und Einladen zur erneuten Selbstorganisation. Direkt ursächlich eingreifen ist von dieser Theorie her gesehen unmöglich. Beim Stören geht es um das Mass der Störung. Wenn man zu viel stört, gibt es irreversible Änderungen, die man auch destruktiv nennen kann. Und dies ist leider was bei dieser Neuropharmakaverabreichung beobachtet wird und m.E. nicht im Kauf genommen werden darf. Meine Alternative ist deshalb das Ernst-nehmen der psychischen Probleme auf der zwischenmenschlichen psychosozialen Ebene, wobei das einzige Hilfsmittel meine Psyche ist. Dies geschieht an sich in der Psychotherapie, was aber wieder eine andere Geschichte wäre. Schliesslich muss ich Ihnen noch persönlich sagen, dass ich als Christ mit dieser Anschauung mehr anfangen kann als mit der deterministischen biologischen Psychiatrie, die für das Wirken Gottes herzlich wenig Raum übriglässt. Hier kommen Sie zur Website von Dr. Westdijk: http://www.ppsb-dialog.ch/de/
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