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Die Angst vor dem Briefkasten

Über den Invaliden David. Die Geschichte verbesserte sich 2010.

Beobachtet und Geschrieben von Beatus Gubler

Hintergrund

Wer eine Invalidenrente bezieht, wird alle paar Jahre einer persönlichen Revision unterzogen, bei welcher abgeklärt wird, ob der oder die Betroffene weiterhin berechtigt ist, Invalidenrente zu erhalten. Unser Mitarbeiter David Gubelmann hat erfahren, das er sich womöglich demnächst einer solchen Revision stellen muss. Hier erzählen wir, wie es ihm dabei ergeht und was ihm bei einer Fehlbeurteilung, bei einer Abstempelung zum Scheininvaliden, für Konsequenzen drohen. Die jeweiligen Szenarien sind keine Fantasievorstellungen, sondern für andere Fehlbeurteilte bereits Realität.
(Siehe Rundschau zum Thema IV-Revision SF1 vom 16.5.2007)

 

 

Die Situation von David Gubelmann


Auf der psychischen Ebene

Multiple Schäden durch Gewalteinwirkung von Drittpersonen in der Kind und Jugendzeit, verursacht durch Menschen welche selber die gleiche psychische und körperliche Gewalt in ihrer Kind und Jugendzeit an sich erfahren mussten. Mannigfache Knochen und Rippenbrüche, Kopfverletzungen und diverse Schnittwunden sind Anhand von Röntgenbildern und Narben heute noch problemlos belegbar. Posttraumatisches Stresssyndrom und sich wiederholende Flashbacks aus dieser Zeit. Panikattacken, Alpträume und Schweißausbrüche.
In Psychotherapie seit 25 Jahren. Kann dank Psychotherapie, einmal pro Monat, seit 20 Jahren ohne Medikamente leben. Wurde durch fachmännischen professionellen Intelligenztest als hochintelligent und hochbegabt eingestuft. War bis 1987 schwer Drogen und Alkoholabhängig. (Gescheiterter Selbstheilungsversuch durch Politoxikomanie) Seit 20 Jahren absolut frei von jeglichem Drogen und Alkoholkonsum.


Auf der körperlichen Ebene

Geschädigter Rücken, Wirbelsäulenskoliose, ein verkürztes Bein. Nicht mehr korrigierbar. Medizinisch nachweisbar. Erfordert jährliche Therapie um eine Verschlechterung, welche zum Rollstuhl führen würde, zu verhindern. Muss seit 15 Jahren regelmäßig behandelt werden. Geschädigte Leber durch eine ehemalige aggressive chronische Hepatitis C und B. Laktose, Gluten und Fettintolerant. Wird seit 1997 mit Medikamenten behandelt. Er muss ärztlich verordnete Leber-Diät essen. (Chronische Stoffwechselkrankheit als Folge der Hepatitis C und B) Nachweisbare Diätkosten pro Monat ca. Fr.- 1150.- Kann Nahrung nur schwer verdauen, stark Untergewichtig, 69 Kilo auf 190 cm Körpergröße. Tendenz: Gewicht weiter abnehmend. Pankreastest zeigt Enzymmangel. Reagiert mit Allergien und Intoleranzen auf diverse Nahrungsmittel, Nahrungsmittelzusatzstoffe, (Z.B. Glutamat) Waschmittel, Duschmittel, Antibiotika, Medikamente und anderes. Grauer Star im Anfangsstadium, in einiger Zeit müssen wohl beide Augen operiert werden.


Soziale und wirtschaftliche Situation

Arbeitet ehrenamtlich für die www.streetwork.ch und begleitet und berät aussteigewillige und ehemalige Drogenpatienten seit 1996. Schreibt Texte für diverse Streetwork-Projekte. Christlich orientierte Lebensführung. Kreativ und künstlerisch tätig. Im April 2007 wurde eines seiner Gedichte Poesie vom deutschen Kulturforum Padina zu den 10 besten der Woche gekürt. Arbeitsfähigkeit ca. 1 bis 2 Stunden pro Tag. Erhält seit 1997 eine 80% Invalidenrente.
Die ärztlich verordnete Diät kann durch die Invalidenrente und die Ergänzungsleistungen nicht voll abgedeckt werden. Es fehlen dadurch pro Jahr im Schnitt Fr.- 2500.- auf dem Sparkonto. In spätestens 3 Jahren sind alle seine Ersparnisse aufgebraucht. Nachweisbar durch eine geführte Buchhaltung und Aufbewahrung aller Quittungen bis 5 Jahre rückwärts voll belegbar. Ohne gelegentliche Zuwendungen von Drittpersonen und Hilfsorganisationen wäre David Gubelmann schon lange Pleite. Er war seit 1994 nicht mehr in den Ferien. Seine Diät kocht er sich selber zuhause. Er bewohnt eine 2 Zimmerwohnung in Basel, welche Fr.- 1100.- Miete kostet. Seine Wohnung befindet sich neben dem lauten Liftmaschinenraum, doch das akzeptiert er und stopft sich nachts Pfropfen in die Ohren für einen ungestörten Schlaf.
Wichtig ist ihm die große Küche, damit er seine tägliche Diät selber kochen kann und nicht so schnell noch mehr Gewicht verliert.


IV-Revision und ihre möglichen Konsequenzen

Und nun kommt die IV-Revision. Es weiß, durch seine Zusammenarbeit mit diversen Ämtern innerhalb des Projektes Streetwork, das sein IV-Rentenstatus in den nächsten Monaten begutachtet und Revidiert wird. (Dies unabhängig von der 5. IV-Revision) Er hat keinen Grund all zuviel Vertrauen in solche Revisionen zu haben. Schließlich musste er 3 Jahre lang darum kämpfen vom Amt für Sozialbeiträge überhaupt eine Diätzulage zu bekommen. Als diese Diätzulage ihm dann zugesprochen wurde, konnte er feststellen dass ihm dafür die Beihilfe gekürzt wurde. Dies reduzierte die Diätzulage gleich wieder um die Hälfte. Es hat die Sendung Rundschau zum Thema IV-Revision SF1 vom 16.5.2007 gesehen, welche eindrücklich darstellt wie sogar Menschen mit fortschreitender Lähmung, fehlendem Bein, abhängig von Schmerzpumpe und schwersten Medikamenten, einfach die IV verweigert oder aberkannt wurde. Und er konnte durch seine Arbeit als Streetworker andere Beobachten denen der IV-Status verweigert wurde. Von heute auf morgen.

David Gubelmann hat Angst vor dem Briefkasten. Irgendwann demnächst wird seine IV Revidiert. Dann wird eine Aufforderung im Briefkasten sein. Davor hat David Angst. Denn folgendes könnte dann geschehen:

Sie werden vielleicht auch ihn Fehlbeurteilen. Werden sagen dass wer 1 bis 2 Stunden pro Tag in einem Streetwork-Projekt arbeiten kann, der kann auch Geld verdienen. Das sei ein Scheininvalider. Sie könnten die zahlreichen medizinischen Unterlagen, die Er erbringen muss, wie in den Beispielen der Rundschau gezeigt, einfach als Beweisunkräftig erklären.

Natürlich hat er zusammen mit seinem Anwalt eine Einsprache gegen den IV-Bescheid erhoben. Doch bis diese greift, wenn überhaupt, gibt es keine IV-Rente und keine Ergänzungsleistung mehr. Also müsste David Gubelmann dann auf das Arbeitsamt. Dieses würde ihm aber kein Arbeitslosengeld auszahlen, denn dieses würde die zahlreichen medizinischen Unterlagen als Beweis betrachten, und ihn als schwervermittelbaren, zu höchstens 20% Arbeitsfähigen einstufen.
Wer stellt schon einen Menschen ein der so Untergewichtig ist dass ihm sämtliche Rippen und Backenknochen durch die Haut scheinen. Also müsste er nun auf das Sozialamt. Doch nun beginnt der Stress erst recht. Denn seine Wohnungsmiete beträgt im teuren Basel Fr.- 1100.- Und das Sozialamt zahlt höchstens eine Nettomiete von Fr.- 600.- pro Monat. Nach Auskunft des Sozialamtes wird in einem solchen Falle dann per Gesetz der zu Befürsorgende mittels einer Verfügung zum Umzug in eine billige Wohnung gezwungen. Die Wohnungen in dieser Preisklasse haben aber im Schnitt nicht mehr als 27 m2 Wohnfläche. Also müsste David die Hälfte seines Mobiliars aus Ermangelung an Platz, und somit auch einen Teil seiner Erinnerungen, entsorgen. Auch würde das Sozialamt feststellen das David Gubelmann Fr.- 7000.-, aus einer Erbschaft seines verstorbenen Vaters auf dem Bankkonto hat. Bevor er überhaupt Geld vom Sozialamt erhält, muss er davon Fr.- 3000.- verbrauchen, den mehr Besitz von Bargeld als Fr.- 4000.- ist nicht erlaubt. Es gibt da keine Ausnahme, auch wenn David Gubelmann nachweisen kann dass er eine teure Diät essen muss. Den Umzug muss natürlich auch er selber Bezahlen, solange er noch Geld auf seinem Sparkonto hat, oder dann spätestens wenn er irgendwie wieder zu Geld kommt. Seine Diät wird ihm niemand in dem notwendigen Ausmaß vergüten, dass es reichen würde. Er könnte sich also nicht mehr richtig ernähren. Nach einer Weile wird er als Folge dessen im Spital landen, dort wird er dann Fr.- 280.- pro Tag kosten. Falls er ohne seine Diät überhaupt solange leben kann. (Als er das letzte mal im Spital war um unter Vollnarkose alle seine Zähne entfernen zu lassen, hatte man dort, trotz vorheriger Information, erst nach 3 Tagen bemerkt, dass er eigentlich eine Diät brauchte.)
Dass er seine Arbeit als Streetworker nun nicht mehr machen kann, versteht sich von selbst. Er hat in den Jahren 1997 bis 2007 zahlreiche Menschen durch und aus dem Elend der Drogen geholfen. Mit Begleitung und Beratung. Er hat so dieser Stadt viele Kosten erspart. Er hat, um seine von ihm Begleiteten zu schützen, durch seine Zusammenarbeit mit den Behörden (Nachweisbar) sogar einen Drogenring auffliegen lassen.

Doch nun wird er vergessen. Auch von dieser Stadt.

Vielleicht kommt es nicht soweit, vielleicht wird er nicht wie andere als Scheininvalider fehlbeurteilt.

Und wenn doch ? Vielleicht greift dann die Einsprache mittels Anwalt bei der IV. David ist Mitglied bei der Procap, welche einen gewissen Rechtsschutz bietet. Vielleicht, und wenn es schnell geht, wird David Gubelmann dann nach 4 oder 5 Monaten seine IV-Rente doch wieder bekommen. Sofern er dann noch lebt, hat er mindestens nun keine Ersparnisse mehr, und nur noch eine kleine 1 Zimmerwohnung. Die Hälfte seines Mobiliars ist auch fort. Denn in Ermangelung an den nötigen Finanzen war eine Einlagerung unmöglich, denn die kostenintensive Diät solange wie möglich aufrecht zu erhalten hatte Vorrang. Was er aber mit Sicherheit hat, das ist eine tiefe Wunde mehr in seiner Seele. Und noch weniger Vertrauen in Staat und System.

 

Noch hat er die Aufforderung zur Revision seines IV-Anspruches noch nicht erhalten. Aber sie wird kommen. Und er hat Angst zum Briefkasten zu gehen.
 

 


 

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